
In einem unserer Reiseführer steht über die Mongolei, sie sei eines der physisch und psychisch anstrengendsten Reiseländer der Welt. Nach fast 2.5 Wochen hier müssen wir das erstmal bestätigen. Wir waren mehrmals an dem Punkt zu erwägen unsere geplante Route abzukürzen, um irgendwie schnellstmöglich in Richtung Hauptstadt und damit zu besseren und asphaltierten Straßen zu gelangen. Allein, auf eigene Faust und mit unserem gesamten Hab und Gut an Bord haben wir die Wege unzählige Male verflucht… dementsprechend lange hat es auch gedauert, bis uns die Mongolei in ihren Bann gezogen hat.
Heftige Sandstürme, enorme Temperaturschwankungen, verunreinigtes Trinkwasser, üble Pisten, zwei gebrochene Stoßdämpfer-Aufhängungen an der Hinterachse, erneut gebrochene Koppelstange an der Vorderachse, teilweise eingeschränkte Versorgungslage mit Trinkwasser und frischen Lebensmitteln… nichts für schwache Nerven.
Nachdem wir über den Grenzübergang Tsagaan Nuur die Mongolei erreicht hatten, steuerten wir zügig und teilweise auf erstaunlich gut asphaltierten Straßen Bayan Ölgi, die erste größere Siedlung, an. Das Landschaftsbild blieb spektakulär bergig, wie im russischen Altai, aber natürlich waren die Jurten sofort augenfällig. In Ölgi tankten wir und kümmerten uns um Zutrittsgenehmigungen für den Nationalpark Tawan Bogd, der im westlichen Grenzgebiet zu China liegt und die höchsten Berge der Mongolei beheimatet. Insbesondere die beiden Hochgebirgsseen Churgan Nuur und Choton Nuur reizten uns, aber auch die Tier- und Pflanzenwelt ist grandios (u.a. leben hier noch Schneeleoparden). Im kasachisch geprägten Nordwesten der Mongolei (90% der Bewohner sind Kasachen) sind auch die berühmten Berkutschi ansässig, die Jäger mit den gezähmten Adlern – allerdings ist die Jagdsaison im Winter, sodass wir dieses Schauspiel leider nicht beobachten konnten. Aber die Vielzahl an Adlern, die jeden Tag am Himmel über uns kreist, war uns sofort aufgefallen. Die 160km Strecke bis zu den Seen im Nationalpark verteilten wir auf zwei Tage, auch da wir auf den schlechten Pisten nur langsam voran kamen und es viel zu sehen gab. Zu den Pisten muss man einfach nochmal sagen, dass man teilweise das Gefühl hat, dass es förmlich das Auto zerreißt. Übles Wellblech, Wasserdurchfahrten, riesige Schlaglöcher – enorme Herausforderungen für Mensch und Material.











Im Nationalpark war die Einsamkeit fast greifbar, Menschen begegneten uns kaum, Siedlungen gab es keine auf unserer Strecke – ein merkwürdiges Gefühl.
Als wir die Seen erreichten, waren wir überwältigt – umgeben von schneebedeckten und vergletscherten 4000ern im Hintergrund, die tiefschwarzen Seen davor. Grandios! Wenn da nur nicht die Moskitos wären – so viele, dass man keine drei Schritte draußen gehen konnte. Leider trübte das ziemlich unsere Freude und bewegte uns noch zur gleichtägigen Abreise von den Seen, um weiter oben in den Bergen zu übernachten, wo sich die Mücken zurückhielten. Am nächsten Morgen vernahmen wir nach wenigen Kilometern merkwürdige Geräusche von der Hinterachse und schnell mussten wir feststellen, dass die obere Aufhängung vom rechten Stoßdämpfer abgebrochen war und dieser an Karosserie und Feder klapperte. Einen Ersatz-Stoßdämpfer hatten wir nicht dabei (passiert uns nie wieder auf so einer Reise!) und wir hatten nur die Option noch langsamer weiterzufahren. Das machten wir dann auch und krochen im ersten Gang über die Pisten und bei jedem Schlagloch lief es uns kalt den Rücken hinab – noch über 90km bis Ölgi. Unterwegs kamen wir an einer Siedlung vorbei, in der wir leider erfolglos versuchten jemanden mit einem Schweißgerät zu finden…
Erst spät am Abend, nach fast 9h Fahrt, kamen wir erschöpft in Ölgi an. Da auch unsere Wasservorräte leer waren, steuerten wir ein GER-Camp an – ein einfaches Jurtencamp, in dem man günstig übernachten kann. Dort trafen wir zufällig auf ein internationales Forschungsteam des WWF unter Leitung des deutschen Prof. Michael Walther, das in den nächsten Tagen unter anderem Messstationen in der Nähe von Ölgi aufbauen wollte. Wir verbrachten einen spannenden gemeinsamen Abend, lernten über seine Forschungstätigkeit seit 1994 in der Mongolei und berichteten von unserer Reise. Außerdem sicherte er uns zu, dass uns sein Fahrer am nächsten Tag bei der Reparatur unseres Toyos helfen wird.
Das stellte sich auch als absoluter Glücksgriff für uns heraus, denn ohne ihn und seine Hartnäckigkeit hätten wir in dem samstäglich verschlafenen Ölgi niemals einen Schweißer und entsprechende „Ersatzteile“ finden können. Als wir den geschweißten Stoßdämpfer wieder einbauten, sahen wir, dass an der Vorderachse erneut eine Koppelstange gebrochen war – diese hatten wir zum Glück als Ersatzteil dabei und konnten sie direkt wechseln.
Somit waren wir für den nächsten Tag wieder startklar und entschieden uns nach langem Überlegen für die Südroute durch die Mongolei – die Anziehungskraft der Gobi ist einfach zu groß.




Über Khovd machten wir uns auf den Weg Richtung Stadt Altai, passierten weitere tolle Gebirgsseen wie den Tolbo Nuur und Char-Us Nuur und ließen langsam die Hochgebirgs-Region des mongolischen Altais hinter uns. Wenige asphaltierte Passagen ermöglichten ein zügigeres Fahren, aber den Großteil der Strecke legten wir auf Pisten zurück, sodass wir im Schnitt nicht mehr als 20 Kilometer pro Stunde schafften und jedes Mal jubelten, wenn wir in den dritten Gang schalten konnten. Unglücklicherweise mussten wir unterwegs feststellen, dass das Trinkwasser, das wir in Ölgi aufgefüllt hatten, offensichtlich mit Motorenöl verunreinigt war und wir es komplett wegkippen und unsere Kanister reinigen mussten. Außerdem fanden wir einige Tage keine weitere Quelle und mussten noch sparsamer als sonst mit dem Wasser haushalten, was bei Temperaturen an die 40°C eine absolute Herausforderung darstellte.
Einen Fahrtag vor Altai hörten wir unangenehm bekanntes Klappern vom Fahrwerk, diesmal aber hinten links – schnell war klar, auch beim zweiten Stoßdämpfer an der Hinterachse war die Aufhängung gebrochen. Zu der Skurrilität, das uns binnen weniger Tage der zweite Stoßdämpfer an der Hinterachse weggebrochen war, kam hinzu, dass das Ganze während eines heftigen Sandsturms passierte, sodass wir kaum das Auto verlassen konnten und Pia Geburtstag hatte – den Tag hatten wir uns so ganz anders vorgestellt… Wir kämpften uns durch das Tief und ich versuchte den Tag mit einem selbstgemachten Auflauf zu retten 🙂 Spätestens als wir am nächsten Abend mit neu geschweißtem Stoßdämpfer und ein paar Einkäufen in Altai-Stadt standen, sah die Welt schon wieder besser aus.










Für den weiteren Weg Richtung Gobi entschieden wir uns für eine völlig abgelegene Passage quer durch die Steppe: fünf Fahrtage, atemberaubende Landschaften (die Geist und Kamera gar nicht greifen können), Einsamkeit pur… Eine Reise in das wunderschöne Nichts.
Wir lernten aber auch die Herausforderungen und die Abhängigkeit von unserem Fahrzeug intensiv kennen:
Unsere Ernährung beschränkte sich überwiegend auf Lebensmittelvorräte und Gemüsekonserven, die wir aus Russland mitgebracht hatten, denn unterwegs gab es maximal Kartoffeln und Zwiebeln als einziges frisches Gemüse, ansonsten jede Menge Fleisch, Bier, Wodka, Süßigkeiten und Zigaretten…
Pannen werden zur echten Herausforderung – einmal brauchten wir Hilfe, als wir uns auf einer Piste festgefahren hatten. Plötzlich waren die Fahrstreifen unter den Reifen weggebrochen und wir saßen mit dem Unterboden auf – wie ein Käfer auf dem Rücken, alle Räder drehten frei und es ging nichts mehr. Kurz darauf kamen tatsächlich zwei mongolische Goldsucher auf einem Motorrad vorbei – es klingt wie aus einem Märchen… Sie halfen uns Steine zu sammeln und unter die Reifen aufzuschütten, sodass wir den Toyo befreien konnten. Wir revanchierten uns mit einer Flasche Wodka, die die beiden noch an Ort und Stelle in zwei Zügen „exten“ und fröhlich mit ihrem Motorrad weiterfuhren. Es waren übrigens die einzigen beiden Menschen, die wir an diesem Tag trafen…
Als wir einen Reifenplatzer am Hänger hatten, halfen uns nicht nur drei Mongolen sondern wir begossen den gelungenen Reifenwechsel direkt mit einer Flasche Wodka, durften auf dem Grundstück einer der Familien übernachten und am nächsten Morgen halfen sie uns Ersatz für den geplatzten Reifen zu besorgen.
Dann ging es in die Wüste Gobi…

















Tränen habe ich gelacht! 😀
@Pia: Es existiert ja die Theorie, dass Frauen deshalb häufig mit der Einschätzung von Entfernungen und Maßsstäben kämpfen, weil die Männer ihnen was vom Pferd (mongl. ‚vom Kamel‘) erzählen.
Als objektiver Dritter lass dir gesagt sein: er ist wirklich sehr klein ausgefallen. Also der Blumenstrauß. 😛
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leck mich fett. Bisher war es je schon spannend Euch zu „verfolgen“. Aber jetzt geht das Abenteuer wohl richtig los 😉 Und bei den letzten Bildern kriegt der Andi doch sicher langsam feuchte Augen … !!!
Toitoi, dass Ihr Euch weiterhin motivieren könnt und von Euren Plänen nicht abbringen lasst. Haltet fest daran, und beschert uns damit Fernweh und Sehnsucht. Im Juli habe ich das erste Mal ein bissel Offroad mit dem Motorrad in den Alpen schnuppern dürfen – weit entfernt Von Euren widerspenstigen Gegebenheiten. Und es hat gierig auf mehr gemacht 🙂 Asphalt habt Ihr noch genug wenn Ihr zurück kommt.
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