So oder so ähnlich hörten wir einige Reaktionen auf unseren Plan Persien zu bereisen. Nach über sieben Wochen in diesem wunderbaren Land können wir nur sagen, dass die vielleicht größte Gefahr vom völlig chaotischen Straßenverkehr nicht aber von Islamisten, Bombenanschlägen, Entführungen oder sonstigem ausgeht.
Trotz der eher negativen Wahrnehmung des Landes Iran in der westlichen Welt (insbesondere seit George W. Bush völlig zusammenhanglos das Land zur Achse des Bösen zählte), sind wir geprägt von den vielen begeisterten Erzählungen und Eindrücken von Pia’s Papa, der Ende der 70er und Anfang der 80er einige Zeit in Iran gearbeitet hat (also vor, während (!) und nach der islamischen Revolution) und für uns stand eigentlich bereits vor Beginn unserer ernsthaften Reiseplanung fest, dass wir unbedingt Persien bereisen wollen.
Allerdings sorgte das Land noch vor Einreise auch für etwas Anspannung bei uns, zum Einen brauchten wir neben einem Visum auch noch jeweils ein Carnet de Passages für Toyo und Hänger (Zolldokument vom ADAC, das die befristete Einfuhr von einem Fahrzeug ohne Bezahlung von Einfuhrsteuern oder -zöllen ermöglicht – Ausfertigung kostete uns in Summe ca. EUR 500, zusätzlich mussten wir EUR 15.000 als Barsicherheit beim ADAC hinterlegen… autsch) und zum Anderen gibt es seit einigen Jahren ein Gesetz, das die Privathaltung von Hunden stark einschränkt und nur bestimmten Berufsgruppen (z.B. Jäger, Hirten, Polizei etc.) das Halten eines Hundes erlaubt. In den Einfuhrbestimmungen ist zwar kein Verbot für Hunde aufgeführt, dennoch blieb bei uns eine Rest-Unsicherheit, ob es beim Zoll nicht eventuell Probleme wegen Emma geben könnte. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir ein islamisches Land bereisen und der Hund im Koran als schmutziges Tier „geächtet“ wird (ähnlich dem Schwein), aber wir bewegen uns viel in der abgelegenen Natur und wollen Emma’s Bedürfnissen nach Freiheit und Auslauf gerecht werden. Außerdem kann rund um die unterschiedliche Beziehung zu Hunden ja auch ein interessanter Austausch über kulturelle Unterschiede entstehen.
Wir waren also positiv gestimmt, als wir am 22. November den Grenzübergang bei Lotfabad erreichten und Pia erstmalig das vorgeschriebene Kopftuch überwarf, was bei der eisigen Kälte zunächst mal gar nicht so schlecht war.
Bei der turkmenischen Ausreise gab es wenig Umstände und wir waren innerhalb kurzer Zeit mit den Formalitäten fertig. Auf iranischer Seite wurden wir äußerst herzlich empfangen, es wurden Scherze gemacht, ob wir aufgrund unseres Hängers wohl Eisverkäufer seien, allerdings wurde es auch schnell undurchsichtig, da kaum jemand Englisch sprach und auch alle Zollpapiere in Farsi waren. Die Iranis sind gute Kaufmänner und haben aus diesem Umstand ein Geschäftsmodell gemacht, das heißt es gibt professionelle Helfer bei der Abwicklung der Formalitäten und nach etwas Verhandlung hatten wir für USD 20 einen persönlichen Begleiter an unserer Seite. Das war wirklich gut angelegtes Geld, da meine Konstitution schwächelte (das Fieber kam wieder) und ich schon allein vom Hin- und Her-Rennen auf dem weitläufigen Zollgelände ziemlich platt war. Nach über 2h waren wir eigentlich schon fast fertig – aber dann kam das „Problem“ Emma. Es gab tatsächlich keinen Veterinär beim iranischen Zoll und nach ewigem Telefonieren ließ sich auch im Umkreis von 20-30 km kein Tierarzt auftreiben. Ratlosigkeit bei allen Beteiligten.
Uns wurde mitgeteilt, dass wir eine Nacht im Zoll bleiben müssten und erst am nächsten Morgen ein Tierarzt vor Ort sein könne. Bei Temperaturen von -15 bis -20 Grad zwischen all den LKWs zu übernachten war keine Idealvorstellung, aber wir hatten keine Wahl.

Wenigstens durften wir die Sanitäranlagen der Moschee benutzen und es gab ein paar kleine Krämerläden, um frische Lebensmittel zu besorgen. Immer wieder klopfte es in den kommenden Stunden an der Hängertür und besorgte oder neugierige LKW-Fahrer fragten uns, ob wir Hilfe oder Essen benötigen. Pia musste das noch ungewohnte Kopftuch unzählige Male hektisch über den Kopf legen bis sie es schließlich für den restlichen Abend auch im Hänger anbehielt. Als wir fast schon nicht mehr öffnen wollten, klopfte es noch einmal und unser Zollhelfer strahlte uns an, dass doch noch ein Tierarzt kommen konnte. Super, schnell nochmal raus in die Kälte, der Tierarzt hatte sogar seine Frau (Pia war glücklich endlich die erste iranische Frau zu sehen, um sich bezüglich der noch neuen „Kopftuchpolitik“ orientieren zu können) mitgebracht, beide zeigten uns begeistert Fotos von ihrem Hund, dann wurde Emma ausgiebig gestreichelt, es gab die ersehnten Stempel auf dem Carnet und nach 10 Minuten waren wir USD 70 ärmer, hatten aber Gewissheit, dass Emma einreisen darf.
Die Grenzpolizisten waren natürlich alle bereits im Feierabend, sodass wir doch noch bis zum nächsten Morgen warten mussten und dann nach fast 24h Einreiseabwicklung endlich in Iran waren – Yeah!
Leider waren der Stress und die kalten Temperaturen meiner Gesundheit nicht zuträglich und noch während der ersten Kilometer fühlte ich mich immer schlechter. Wir fuhren bis kurz hinter Quchan und suchten uns dann einen ruhigen Stellplatz auf einem Feld.
Es fing an zu schneien und war unverändert sehr kalt. Die folgenden Tage an Ort und Stelle waren für uns alle hart – ich lag völlig flach mit Fieber, Übelkeit und pochenden Nasennebenhöhlen und Pia pflegte mich nicht nur, sondern kämpfte auch mit den Tücken der Kälte – unsere wenigen übrigen Wasservorräte waren durchgefroren und mussten erst umständlich auf dem Gaskocher geschmolzen werden, sei es fürs Händewaschen, Kochen, Trinken usw. Zudem führte jedes Öffnen der Tür dazu, dass der gesamte Hänger wieder komplett ausgekühlt war. Nachdem unsere Wasservorräte aufgezehrt waren, konnte Pia im nächsten Dorf Wasser kaufen, allerdings gab es nur Sprudel, welches dann zu besonders schmackhaftem Tee zubereitet wurde und das auch dem Zähne putzen einen neuen Reiz verliehen hat 😉 Als sich nach insgesamt 7 Tagen mein Zustand eher verschlechterte anstatt verbesserte, packte Pia unsere Sachen und wir wollten uns auf den Weg in das Krankenhaus von Mashhad machen. Auf dem Weg dorthin zeigte das Breitband-Antibiotikum doch etwas Wirkung und ich kam langsam wieder auf die Beine – wir entschlossen uns dazu doch noch eine weitere Nacht abzuwarten. Die Geduld zahlte sich aus und am nächsten Tag ging es mir nochmals deutlich besser, sodass wir uns daran machen konnten uns mit den neuen Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Unser dringlichstes Problem war tatsächlich die Wasserversorgung im Land – nachdem in Russland und Zentralasien das Wasser meist praktisch aus Pumpen entlang der Straßen zu finden war und in der Mongolei in eigens dafür eingerichteten Wasserhäuschen, befanden wir uns nun im ersten Land mit Wasseranschlüssen in fast allen Häusern (Norwegen natürlich ausgenommen). Fündig wurden wir schließlich an einem Autorasthof, an dem wir zumindest 20L Wasser bekamen.
Die nächsten Tage verbrachten wir in und um Mashhad, der heiligsten Stadt Irans, um uns langsam an die uns noch komplett neue Kultur zu gewöhnen. Mit dem eher konservativ geprägten Nordosten des Landes haben wir uns dabei sicherlich nicht die einfachste Gegend herausgesucht.
Hinzu kam, dass die als „Mekka Iran’s“ bekannte Stadt von derart vielen Pilgern besucht wurde, dass wir uns schon dachten, dass dies nicht der Normalzustand der Stadt sein kann – erst später erfuhren wir, dass wir während des Todestages von Imam Reza die Stadt besucht hatten, definitiv kein idealer Zeitpunkt. Schon ab etwa 90km vor Mashhad liefen Hunderte von Menschen, die schwarze Fahnen hissten und teilweise komplett verschleiert waren (sicherlich temperaturbedingt, jedoch sehr ungewohnt für unsere Augen) begleitet durch Pick-Ups mit dröhnenden Lautsprechern entlang der Straßen. Alle paar KM gab es eingerichtete Zeltcamps, die die Pilger mit Tee, Essen und Wärme in Form von brennenden Tonnen versorgten. Auch im Zentrum der heiligen Stadt fühlten wir uns nicht sonderlich wohl und waren auch schlichtweg überfordert mit den Massen an Menschen und dem markerschütternden Lärm – Emma hatte derartige Panik, dass sie sich unter unserem Gepäck im hintersten Winkel des Kofferraums versteckte und furchtbar zitterte.
Wir kämpften uns durch die überfüllten Straßen in die Nähe des Heiligen Bezirks, der das Mausoleum von Imam Reza beherbergt, der Zugang ins Innerste des Mausoleums ist allerdings nur Muslimen gestattet. In einer ruhigen Ecke angekommen, gingen wir abwechselnd (um Emma nicht alleine lassen zu müssen) in die Nähe des Mausoleums. Leider war nirgends angeschrieben, wie weit man sich als Nicht-Muslim in den Heiligen Bezirk begeben darf und so verließen wir uns auf unser Gefühl. Wir sahen bitterlich weinende Männer tief im Gebet versunken, hörten unzählige und unfassbar laute Sprechchöre und ließen uns durch die Menge treiben. Die Menschen an diesem für sie so bedeutungsvollen und heiligen Ort zu sehen empfanden wir mehr als bewegend, fühlten uns jedoch irgendwie fehl am Platz.
Nachdem wir einen Eindruck über den Heiligen Bezirk gewonnen hatten, verließen wir die Stadt recht schnell gen Süden, um langsam der Kälte zu entkommen, jedoch nicht ohne zuvor noch das einzige Veggie-Restaurant der Stadt besucht zu haben.
Die nächsten zwei Wochen prägte die Kavir- als auch die Lut-Wüste mit viel Sand- aber hauptsächlich Steinwüsten das Landschaftsbild, wir besuchten die Oasenstadt Tabas und begegneten erstmalig der grenzenlosen Gastfreundschaft der Iraner.
Beim Granatapfelkauf am Straßenrand wurden wir von Mohamad angesprochen – er konnte etwas Englisch und wir plauschten kurz, bevor er uns zu sich und seiner Familie in ein ca. 35 km entferntes Dorf einlud.
Höflich lehnten wir ab und bedankten uns vielmals. Viele Iranis fühlen sich gegenüber Fremden aus Höflichkeit zu einer Einladung verpflichtet, obwohl sie es selbst vielleicht gar nicht unbedingt wollen oder es sich evtl. nicht leisten können – deshalb haben wir uns fest vorgenommen Einladungen immer erstmal kategorisch abzulehnen und sie erst bei der dritten oder vierten Aussprache anzunehmen. So ging es dann mit Mohamad auch kurz Hin und Her, bevor wir überzeugt waren, dass er es wirklich von Herzen meint.
Also folgten wir ihm und seiner Frau nach Esfahak, einem kleinen, traumhaft idyllischen Oasen- Dorf, das leider vor 40 Jahren von einem Erdbeben nahezu vollständig zerstört wurde, sodass die Überlebenden ein neues Dorf neben das alte zerstörte bauten. Vor wenigen Jahren begannen insbesondere Mohamad und seine Familie (seine Eltern und 8 Geschwister mit ihren Familien) Teile des alten Dorfes wieder aufzubauen und herzurichten. Auch ein traditionelles Gästehaus haben sie eröffnet, um in- und ausländische Gäste zu beherbergen. Wir waren hellauf begeistert von Mohamad und seiner Familie, innerhalb von Minuten fühlten wir uns heimisch und geborgen, aber auch das wunderschöne Dorf und seine tragische Geschichte haben uns in ihren Bann gezogen.
Hallo Ihr 2,
super, dass es Dir Martin wieder gut geht. Wir hoffen, das bleibt auch weiterhin so für euch 3 – und natürlich für euren Tojo.
Mit euren persönlichen Kontakten bekommt ihr einen viel intensiveren Eindruck vom Land. Und wir sind dank eurer Berichte mit dabei!
Liebe Grüße aus dem etwas winterlichen Schleswig-Holstein
Marion und Thomas
LikeGefällt 1 Person
Hallo ihr beiden,
für uns drei können wir das definitiv bestätigen, der Toyo hat in den letzten Tagen leider mit dem restlichen iranischen Diesel und den eisigen Temperaturen zu kämpfen – aber wir hoffen, dass es keine weiteren Probleme gibt.
Der Iran hat uns wohl die intensivsten Kontakte unserer Reise geboten 😉
Liebe Grüße aus dem ebenfalls winterlichen Eriwan
LikeLike
Atemberaubend 🙂
Wir wünschen euch weiterhin eine tolle Zeit und freuen uns auf euch.
Herzlichste Grüße Sophia, Daniel und Frieda
LikeGefällt 1 Person
Und wir freuen uns auf euch & vor allem darauf Frieda endlich kennenzulernen! 🙂
LikeLike