Ein Unglück kommt selten allein

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Heute gibt es einen etwas anderen Post, da auch eine etwas andere Woche hinter uns liegt.
Normalerweise gehen wir nicht so sehr ins Detail, wie wir es im Folgenden getan haben und auch mit Bildern können wir dieses Mal nicht in der gewohnten Fülle dienen… 😉

Sonntag, 6. November
Dank der fünfstündigen Zeitdifferenz erreichte uns die freudige E-Mail unserer Agentur am Freitagabend und führte zu einer kleinen Nacht-und-Nebel-Aktion… kurzum: wir haben unsere Visa für Turkmenistan und unsere Reisepässe haben Frankfurt noch am Freitag per Express-Kurier verlassen.

Somit bleibt uns nun von den ursprünglich geplanten drei Wochen in Usbekistan zwar nur noch knapp eine Woche Zeit, je nachdem wann genau die Pässe in Kirgistan eintreffen, aber wir sind natürlich glücklich, dass wir Perlen der Seidenstraße wie Samarkand und Buchara überhaupt noch sehen dürfen, bevor es weiter im Fünf-Tages-Transit durch Turkmenistan geht und wir voraussichtlich am 22. November in Iran ankommen werden.

Um ehrlich zu sein, hatten wir nicht mehr damit gerechnet die Visa für Turkmenistan zu erhalten. Dies wäre zum Einen natürlich ärgerlich gewesen, denn bezahlt hatten wir sie ja bereits und zum Anderen auch unglaublich schade, da wir somit ja auch Usbekistan von unserer Route hätten streichen müssen. Wir hatten deswegen auch schon den Süden Kirgistans verlassen und waren wieder in Richtung Norden unterwegs, um noch etwas mehr vom Land zu sehen. Aber tatsächlich auch, damit wir schneller zurück in Kasachstan und Russland sind, um von dort über den Nordkaukasus und über Georgien und Armenien in den Iran zu gelangen. Unsere Alternativroute, zu der wir uns nach viel Recherche im Internet und Diskussion in diversen Foren entschieden hatten. Aber nun gut, jetzt nehmen wir die Ursprungsroute in Schnellversion 🙂

Jetzt allerdings genießen wir noch 1-2 Tage auf dem Land und wollen gegen Mittwoch zurück in Osch sein, um auf unsere Pässe zu warten und dann weiter gen Westen zu fahren. Mit Usbekistan, Turkmenistan und Iran dürfen wir dann übrigens auch drei der „10 internetfeindlichsten Länder weltweit“ nacheinander besuchen und werden vermutlich hier eine Weile nicht oder nur eingeschränkt posten können…

Und zu guter Letzt: hat jemand einen guten Tipp, wie man eine Ratte im Auto los wird? Kein Scherz! Martin hatte bereits morgens komische Geräusche unter dem Hänger gehört, später ist auch Emma wie verrückt um unseren Ersatzreifen unter dem Hänger gerobbt und hat gebellt. Kurzerhand hat Martin das Ersatzrad runtergekurbelt und eine Ratte (wie ich schreiend festgestellt habe), ist über die Deichsel in den Toyo gerannt. Blöderweise hatte ich den Kofferraum kurz vorher nochmals aufgemacht, um etwas in den Kühlschrank zu räumen…
Nachdem der erste Schreck verklungen war, machten wir uns auf die Suche und fanden das Tierchen sogar relativ schnell. Erst hatte es sich unter unserer Reisetasche verkrochen, dann grinste sie uns unter dem Kühlschrank hervor an. Wir hatten bereits einige Sachen aus dem Auto ausgeräumt und die Ratte unter dem Kühlschrank vorgejagt. Doch anstatt aus dem offenen Kofferraum zu springen, verkroch sie sich unter den Einbauplatten der Schubladen.
So ein Mist!

Wir haben jetzt den ganzen Toyo ausgeräumt, alles ausgeklopft und aufgemacht – erfolglos. Wir haben Emma im Toyo „eingesperrt“, damit sie die Ratte findet… aber Emma, die große Jägerin, legte sich lieber schlafen… Wir lagen bei offenen Türen des Toyos „auf der Lauer“ – erfolglos.

Wir sind nur froh, dass wir nicht im Auto schlafen müssen, was den Gedanken daran eine fette Ratte im Auto zu haben jedoch nur minimal bessert. Jegliche Vorschläge und Ideen, wie wir unseren neuen Mitbewohner wieder loswerden, gerne schnellstmöglich an uns.

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Hier kam der ungebetene Gast an Bord…

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Montag, 7. November
Nach einer unruhigen Nacht ergibt der Ratten-Test am frühen Morgen folgendes:
– unser Testkäse (wir hatten noch die Hoffnung, dass sie unentdeckt entwischen konnte) ist weg, zudem zeigen uns die Hinterlassenschaften der Ratte, dass sie definitiv noch da ist
– Emma Leine ist angeknabbert                                                                                                                  – sämtliche Plastiktüten mit denen wir Motorenöl etc. in den Schubladen des Toyo sicherheitshalber verpackt haben, sind zerfetzt – entweder hat die Ratte das Plastik gegessen oder als Baumaterial für ein gemütliches Nest benutzt…
– wir haben leider ein Ladekabel im Auto vergessen (alle anderen sind über Nacht im Hänger) und genau das hat sie ebenfalls angeknabbert – es ist das Kabel unseres kleinen Strahlers und der Test ergibt: es funktioniert nicht mehr…
– die Tasche, in der wir unsere Bergegurte aufbewahren, ist ebenfalls angeknabbert

Wir entscheiden uns dafür, diesen eigentlich wunderschönen Platz in einem Wäldchen direkt am Bach so schnell wie möglich zu verlassen, auch um im Internet nachforschen zu können, was gegen die Belagerung des Tieres helfen könnte. Reisetaschen, Wertsachen, Emma’s Leckerli usw. bringen wir noch im Hänger unter, der schon an seine Kapazitätsgrenzen kommt. Wir haben die gesamte Fläche mit dem Gepäck aus dem Auto ausgelegt, sodass wir nur noch die Liegefläche haben und unseren Tisch nicht mehr aufbauen können – aber wir sagen uns, dass die Situation maximal noch 1-2 Tage anhalten wird.

Im ersten Ort mit Internetempfang angekommen, suchen wir zunächst nach Hausmitteln gegen Ratten. Gleichzeitig wollen wir anhand der Sendungsnummer prüfen, wo sich unser Paket befindet – das Ergebnis: die Sendungsnummer ist unbekannt. Wir sind etwas nervös und rufen kurzerhand direkt bei der DHL-Express-Hotline an. Die Dame bestätigt uns, dass die Sendungsnummer nicht existiert, was beispielsweise daran liegen kann, dass das Paket am Freitag doch nicht mehr Frankfurt verlassen hat. Außerdem sagt sie uns, dass das Paket keinesfalls am Mittwoch in Osch sein kann, die Express-Dauer beträgt 7-8 Werktage… wir sind geschockt! Da unsere Agentur in Deutschland noch nicht erreichbar ist, fahren wir weiter bis wir um 9 Uhr deutscher Zeit endlich unseren Ansprechpartner sprechen. Das Gespräch ist frustrierend und wir vereinbaren, dass er sich bei uns meldet, sobald er in Erfahrung bringen konnte, wo sich das Paket befindet. Der Rückruf ergibt, dass es schneller gegangen wäre, hätten wir uns das Paket in eine Hauptstadt (Bischkek oder Almaty) schicken lassen und das es noch in Frankfurt ist. Wir entschließen für uns, dass wir auf keinen Fall die 7-8 Werktage warten können, bis das Paket im Süden Kirgistans in Osch ankommt. Denn das bedeutet, dass wir zwar direkt an der kirgisischen Grenze warten würden, uns aber die verbleibende Zeit der Visa nicht reichen würde, um Usbekistan und Turkmenistan rechtzeitig durchqueren zu können. Zudem könnten wir uns nicht schon auf den Weg in Richtung Norden und damit Kasachstan und Russland machen, um zumindest rechtzeitig über den Kaukasus in Iran anzukommen. Uns kommt die Idee, die Pässe in eine Hauptstadt, also nach Bischkek (dort lebt zur Zeit die Freundin einer Freundin) oder alternativ nach Almaty zu Saltanat schicken zu lassen, sodass wir uns während des Versands schon mal nach Norden aufmachen können. Mit dieser Idee rufen wir wieder bei der Agentur an und bitten unseren Ansprechpartner die Pässe zurückzuholen, da sie ja noch in Frankfurt sind, oder alternativ den Empfänger anzupassen. Während er sein Glück bei der DHL-Filiale versucht, versuchen wir mit den beiden Mädels abzuklären, ob wir ihre Adressen nutzen dürfen. Nach vielen Nachrichten erreicht uns der ernüchternde Anruf: die Pässe wurden bereits abgeholt.

Neben all diesen Anrufen und Nachrichten ist der Gedanke, die ganze Zeit über eine Ratte irgendwo hinter, vor oder zwischen uns zu haben nicht stimmungsförderlich. Da sich bei uns der Abend und die Dunkelheit ankündigt, machen wir uns auf die Suche nach einem Stellplatz mit Internetempfang, um erreichbar zu bleiben. Alles ist so dicht besiedelt, dass wir frustriert am Straßenrand anhalten. Während ich uns eine Kleinigkeit koche, versucht Martin dem Tier mit unserem Kompressor und Druckluft Beine zu machen und präpariert eine Eimerfalle mit Leckerli. Vergeblich! Nachdem wir schnell gegessen haben und mit Emma spazieren waren, entscheiden wir uns noch im Dunkeln weiterzufahren. Wir sind wirklich froh, dass Emma auch solche Tage ohne längere Spaziergänge und Spieleinheiten mitmacht – und darüber, dass sie nicht reden und damit meckern kann, sind wir in dem Zuge auch dankbar 😉

Der Verkehr, die nicht beleuchteten Straßen, die fehlenden Markierungen geben uns den Rest an diesem Tag und gegen 22 Uhr erreichen wir einen Stellplatz, an dem wir bereits vor drei Wochen waren. Wir verstauen wieder einiges im Auto und hören es rascheln. Die Nacht und damit die aktive Zeit der Ratte, beginnt. Emma, die noch im Auto ist, dreht völlig durch. Wir lassen sie gewähren und hoffen, dass sie uns auf die richtige Spur bringt. Und das macht sie: die Ratte sitzt im Handschuhfach. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter und ich bin nur froh das Fach während der Fahrt nicht geöffnet zu haben. Schnell wird auch klar warum: mein letzter veganer Schokoriegel lag noch dort. Wir binden Emma außen an und leuchten direkt in die Augen der Ratte. Kurzum gehe ich mit Emma eine kleine Runde über die Felder und hoffe, dass Martin das Tier mit Hilfe von Käse und Schokolade aus dem Auto locken kann. Es ist eiskalt, Emma zittert und winselt vor Kälte oder Schreck kurz auf…. das entscheidende Geräusch, das die Ratte vom Trittbrett des Toyo wieder zurück in die Tiefen des Autos jagt. Wir waren so nah dran! Eine derart schlechte Stimmung hatten wir während der ganzen Reise noch nicht. Wir bringen Emma in den Hänger und stehen abwechselnd bis tief in die Nacht an der Beifahrertür, um sie vielleicht nochmals aus dem Armaturenbrett zu locken. Vergeblich! Wir präparieren die Eimerfalle und gehen frustriert schlafen.

Dienstag, 8. November
Die Falle finden wir am Morgen unberührt. In verzweifeltem Aktionismus bauen wir Teile der Schubladen und die Innenverkleidung des Toyos aus – überall Spuren und Hinterlassenschaften der Ratte, sogar bis in die Tiefen der Karosserie hinein. Es ist zum Verrücktwerden und wir haben Angst, dass das Tier ein entscheidendes Kabel oder die Dieselleitung zerbeißt und uns lahmlegt. Immerhin wissen wir nun, dass sie einen Rückzugsort unterhalb der Verkleidung auf der rechten Seite des Toyo hat. Wir setzen auch nochmals den Kompressor ein – und hören und sehen aber nichts mehr von unserer neuen Begleiterin.

In Bezug auf unsere Visa ergibt sich nach Gesprächen zwischen DHL und der Agentur, dass wir das Paket in Bischkek abholen können, wo es bereits am Freitag eintreffen soll. Dazu müssen wir uns telefonisch mit den kirgisischen Kollegen abstimmen. So bekommen wir es schneller, als wenn es von dort aus weiter nach Osch geschickt wird. Also auf ein Neues: wir drehen um und fahren erneut Richtung Norden. Unterwegs halten wir an einem Basar und fragen uns anhand eines Handybildes mit einer toten Ratte nach Fallen durch. Wir werden mehr als fündig und decken uns mit diversen Klebe- und Klappfallen ein. Gift wollen wir nicht verwenden, auch weil uns die Gefahr zu groß ist, dass Emma damit irgendwie in Berührung kommt. Außerdem finden wir eine Art Nutella, was als Lockmittel Wunder wirken soll. Am Abend versuchen wir noch die „Lärmmethode“: wir drehen unsere Anlage und den Bass voll auf, mal bei offenen, mal bei geschlossenen Türen, leider ohne Erfolg. Für die Nacht legen wir drei der Fallen aus.

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Vorbereitungen für die Nacht

Mittwoch, 9. November
Die Klappfalle hat ausgelöst, allerdings ohne dabei die Ratte zu erwischen. Nutella und Käse auf einer Klebefalle sind verschwunden, auf der andere finden wir eine Überraschung: ein Stück des Schwanzes der Ratte. Es sieht aus als hätte sie sich das Stück selbst abgebissen, um der Falle wieder zu entkommen. Total abgefahren! Wir gehen nochmals zum gleichen Basar und kaufen weitere Fallen, darunter nun auch Gift…
Es fühlt sich überhaupt nicht gut an einem Tier nach dem Leben zu trachten – aber wir sind wirklich verzweifelt und wissen uns einfach nicht anders zu helfen. Es steht nur fest, dass dieses Tier so schnell wie möglich aus dem Auto muss.

Die Anrufe bei DHL Bischkek sind vergeblich und wir können leider niemanden erreichen. Guter Dinge und voller Hoffnung unsere Pässe bald in den Händen zu halten, fahren wir weiter Richtung Bischkek. 40km vor der Stadt haben wir wieder Internet und unsere DHL-App zeigt an, dass das Paket in Bischkek angekommen ist, die Station allerdings schon wieder verlassen hat. Wir sagen uns, dass das nicht wahr sein kann, uns wurde ja versichert, das Paket sei erst am Freitag in Bischkek. Angespannt erreichen wir im Feierabendverkehr die DHL-Filiale und müssen erfahren, dass das Paket nicht mehr da ist. Die Mitarbeiterin spricht glücklicherweise sehr gut Englisch, fragt uns, warum wir nicht angerufen haben und versucht das Paket noch zu stoppen. Ein Anruf am Flughafen ergibt jedoch, dass das Paket bereits nach Osch unterwegs ist. WTF?!?

Das Einzige, was jetzt noch hilft, ist gutes Essen!

Wir verlassen die Stadt am späten Abend und suchen uns abermals im Dunkeln einen Stellplatz. Über 600km für eine Pizza und eine frustrierende Nachricht fahren – das haben wir tatsächlich noch nie gemacht. Gegen 22:00 Uhr finden wir einen Stellplatz und präparieren den Toyo für die Nacht – unsere neue Abendroutine. Heute kommt das Gift erstmals in Einsatz und wir legen es in eine der Schubladen, die wohl schon mehrmals als Nachtlager gedient hat.

Donnerstag, 10. November
Um den Tag etwas positiver zu starten als die vergangenen, halten wir uns vor Augen, dass wir uns glücklich schätzen können: offenbar ist es nach wie vor nur eine Ratte und sie (falls es denn eine Rattendame ist), war nicht trächtig oder die Schwangerschaft ist noch in den Anfangszügen (wir haben keine Ahnung, wie lange Ratten trächtig sind und schauen es gar nicht erst nach). Die Rattenfallen sind unberührt, nur eine der Klebefolien ist übersät mit zerkleinerten Spanngurtteilen, den sie zerbissen hat. Aber die Giftköder sind weg… Nach allem, was wir gelesen haben, kann es nach der Aufnahme des Gifts noch mehrere Tage dauern, bis das Tier stirbt. Ratten sind so intelligent, dass sie normalerweise Tester vorschicken, die neue Nahrung zuerst probieren müssen, bevor der Rest der Gruppe zulangt. Ob das kirgisische Gift auch so funktioniert, wissen wir leider nicht – ebenso wenig konnten wir die Dosierung herausfinden. Wir sind wirklich keine Befürworter von Gift und hätten es lieber gesehen, dass die Ratte den Toyo auf anderem Wege verlässt. 😦

Nach einem kurzen Frühstück fahren wir weiter Richtung Süden, denn es liegen noch mehr als 500km vor uns, die wir heute bewältigen wollen wollen. An dieser Stelle müssen wir unbedingt das bombastische Wetter der vergangenen Tage hervorheben: strahlender Sonnenschein, blauer Himmel und tagsüber angenehme Temperaturen um die 12 Grad, auf den Pässen (3600m und 2400m) hingegen deutliche Minusgrade. Bei schlechterem Wetter könnten wir weniger gut auf den Platz im Hänger verzichten, also eine super Sache!

Eine weniger gute Sache jedoch ist, dass heute offensichtlich viele Verkehrspolizisten eine Gehaltsaufbesserung benötigen. Die Straßen sind voller Polizei und es wird überall stark kontrolliert. Bereits vorgestern wurden wir aufgrund erhöhter Geschwindigkeit auf dem Weg nach Bischkek erwischt und zahlten 1000 Som (ca. 13€) Strafe. Heute wurde unsere Kirgistan-Bilanz allerdings deutlich ins Minus gezogen: entgegenkommende Autos warnten uns, wir bremsten, waren allerdings laut Laserpistole knapp 15km/h zu schnell. Die unverschämten Beamten wollten ernsthaft unglaubliche 200 USD von uns….  Wir sind fassungslos – insbesondere, was dann folgt. Wir zeigen uns nicht bereit diesen Betrag zu bezahlen und dann beginnt das Verhandeln der Strafe auf dem Staub der Hängeraußenwand: nach 10.000 Som (ca. 130€) kamen wir durch ständiges Hin- und Her bei 2500 Som (ca. 33€) an, die wir dann entnervt bereit waren zu bezahlen und uns schnell davon machten. Leider zu schnell, denn keine 2km später werden wir von der nächsten Kontrolle erneut herausgezogen…. wir saßen fluchend im Auto und Martin ging zunächst nur mit unseren Papieren zum Auto der Polizisten. In der Regel sieht man 2-3 Polizisten, von denen meist einer im Auto sitzt, während die anderen nach Gutdünken Autos anhalten, eine Ansammlung von 10 Fahrzeugen am Straßenrand ist dabei nicht ungewöhnlich. Der Polizist im Auto verlangte 5000 Som, hielt uns das Bild der Laserpistole vor die Augen, das uns angeblich einer Geschwindigkeitsübertretung von 15 km/h überführt. Wir können das kaum glauben, waren laut unserem Tacho maximal 5 km/h über dem Geschwindigkeitslimit… Er füllt ein Formular aus, behält Martins Führerschein ein und gibt uns zu verstehen, dass wir diesen erst nach Bezahlung der Strafe zurück bekommen. Entweder wir zahlen bar vor Ort oder bei einer Bank im nächsten Ort. Wir waren wahnsinnig sauer und machten deutlich, dass wir ohne den Führerschein nicht gehen würden und zudem, dass wir dabei waren das Land zu verlassen und nicht mehr viel Som bei uns hatten. Die Polizisten beachteten uns nicht mehr und wir konnten das Schauspiel der Korruption hautnah beobachten: die Fahrzeuge werden angehalten, die Fahrer gehen mit ihren Fahrzeugpapieren zum Polizeiauto, Hände werden geschüttelt und dabei das Geld ausgetauscht, die Papiere wandern zurück zum Besitzer und schon kommt der nächste Fahrer. Uns war vor der Reise klar, dass wir solche Momente höchstwahrscheinlich erleben werden, allerdings hatten wir damit noch nicht in Kirgistan gerechnet. Die Polizisten machten uns ein neues „Angebot“: 3000 Som. Zum Einen hatten wir tatsächlich nicht mehr viel Bargeld, um Martin’s Führerschein „zurückzukaufen“, zum Anderen waren wir nicht bereit die Korruption in diesem Maße zu unterstützen. Wir hatten noch 720 Som und boten diese den Polizisten an, sie schauten uns jedoch nicht einmal mehr an. Also machten wir das, was wir im Vorfeld der Reise als das einzig Richtige erachtet hatten: wir wollten die Situation aussitzen. Mit unseren Campinghockern setzten wir uns direkt neben das Polizeiauto, hatten unsere Handy’s in der Hand und liesen beiläufig Wörter wie Polizei und Konsulat fallen. Die Diskussion zwischen den drei Polizisten mit Blick auf uns, begann erneut und die ersten LKW-Fahrer zeigten lachend auf uns und fragten die Polizisten scheinbar, was sich hier gerade abspielt. Der Beamte im Auto rief Martin nochmals zu sich und fragte nach unseren 720 Som… diese fanden ihren Weg hinter die Sonnenblende und kurze Zeit später hatten wir Martin’s Führerschein zurück. Zuletzt wollten sie noch einen unserer Stühle als „present“, aber da wir den Führerschein wieder hatten, waren wir nicht bereit auch noch einen unserer Stühle da zu lassen. Ganze 1,5 Stunden später konnten wir weiterfahren, damit war es nun unmöglich geworden unsere Pässe noch vor 18:00 Uhr in Osch bei DHL abzuholen. Mit Tempomat ging es weiter Richtung Süden. Wir passierten eine Mautstelle und hatten schon Dollar bereit gelegt, denn nun hatten wir ja wirklich keinen Som mehr, aber der Beamte liess uns kostenlos weiterfahren und wünschte uns „good luck“ – ob es an der Plakette lag, die wir ja tatsächlich noch von vor zwei Tagen in der Windschutzscheibe liegen hatten oder nicht, wir waren froh mal nicht zahlen zu müssen. Wir durchfuhren unzählige weitere Polizeikontrollen im Schneckentempo und wurden tatsächlich nochmals herausgezogen. Der Polizist schüttelte Martin die Hand und erwartete offenbar Scheine darin, lachend forderte er die „Strafe“ ein. Dieses Mal waren wir mit Tempo 30 in der 40er-Zone unterwegs und nach kurzem Hin- und Her ließ er uns weiterfahren und kassierte bei den anderen Autos und LKWs ab. Wir wissen wirklich nicht, was heute los war und sind sprachlos!

Am späten Abend kommen wir nach 12h Fahrt und 500km in Osch an und checken zum dritten Mal im BIY Ordo Guesthouse ein – hoffentlich zum letzten Mal.

Freitag, 11. November

Wir halten unsere Pässe mit den Visa in unseren Händen! Endlich eine gute Nachricht am Ende dieser Horrorwoche. Außerdem hoffen wir, dass wir es mit einer derartig patriotischen Ratte zu tun haben, dass wir morgen in aller Früh ohne sie das Land verlassen können 😉

SALEM ALEIKUM

12 Kommentare

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  1. Der Moment, als die Ratte vom Trittbrett wieder ins Auto springt… 😱😱😱
    Wenn eine Beziehung so etwas aushält, dann kan aber auch garnichts mehr passieren! 😅
    Haltet die Ohren steif – wenn alles gut lief, hat sich die Ratte während eurer Sitzblockade in das Polizeiauto geschlichen und labt sich dort im Handschuhfach an dem ganzen Schmiergeld. 😎

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  2. Au weia, da habt Ihr ja was erlebt! Soviel Unglück auf einmal!
    Mit Mäusen und Ratten habe ich folgende Erfahrungen gesammelt: Käse als Köder ist nicht sehr erfolgreich. Mit Speck fängt man Mäuse oder Ratten! Die Fallen mit Bügel taugen meist auch nicht, denn der Bügel erwischt das Tier nur selten. Deutlich besser ist eine Lebendfalle, also ein Drahtkäfig. Die Ratte oder Maus hat keine Chance aus einem Käfig zu entwischen. Ratten und Mäuse orientieren sich am Geruch. Eine absichtlich gelegte Geruchsspur könnte die Nager auf eine Fährte locken die ins Jenseits führt! Gift hat den Nachteil, dass das Tier irgendwo verendet, wo man es nicht gleich findet und erst der Verwesungsgeruch (süßlich) den Kadaver verrät. Gelegentlich habe ich Mäuse, nachdem ich Sie gefangen hatte, wieder in der Natur ausgesetzt und das weit entfernt vom Haus. Jedoch haben die Tierchen oft den Weg zurückgefunden! Meine Mäuse hatten schon Namen und Erkennungsmerkmale, wie z.B. Kerben im Ohr. Aber Ihr seit ja mobil, also die gefangene Ratte aussetzten und dann nichts wie weg. Aber erklärt das mal der Polizei, wenn Ihr wieder wegen Geschwindigkeitsübertretung erwischt werdet.
    Ich hoffe das Euch in Zukunft eine derartige Plage von Nagetieren und Polizisten erspart bleibt.
    Viel, viel Glück auf Eurer weiteren Reise.

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    • Liebe Pia, lieber Martin,
      noch ein Tipp zur Rattenjagt: Eine Flasche mit z.B. einem Rest Olivenöl, kann auch als Falle dienen. Zumindest bei Mäusen habe ich damit Erfolg gehabt! Mäuse schaffen es, sich durch einen engen Flaschenhals zu zwängen, gierig nach dem Öl, doch schaffen sie es nicht mehr hinaus, weil alles ölig glitschig ist. Für eine Ratte müsste man einen etwas weiteren Flaschenhals nehmen!
      Viel Erfolg

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  3. Liebe Pia, Lieber Martin
    Das tut mir sehr leid, was ihr da alles erdulden müsst. Und ich finde es enorm schade, dass sich die Strassenräuberei in Kirgisien nicht verbessert hat, ja gar verschlimmert hat! Das ist sehr bedenklich. Das Problem ist einfach nur, dass ihr zu wenig Zeit habt. Wir haben zum Teil über eine Stunde gewartet und auf „nicht verstehen“ gemacht, oder aber gleich die Bullenpatrouille ausgelacht, ihnen 3 oder 5 Dollar (unbedingt ungerade Zahl, das erschwert es ihnen, das Bakschisch gerecht aufzuteilen… ha, ha), oder ein paar Kugelschreiber für die tolle Vorstellung gegeben. Den Ausweis aus ihren schmierigen Händen gerissen und weitergefahren.
    Mit der Ratte (nicht die Polizei) ist es ja auch ganz übel. Meine Tochter hat Ratten als Haustiere, und die sind ganz wild auf Schokolade und Karamel. Vanille hilft auch, darauf fahren alle Tiere ab. Den besten Erfolg ist wirklich mit einer Lebendfalle (Drahtkäfig), so konnten wir die Mäuse in unserem alten Holzhaus fangen. Alles andere war zwecklos.
    Ich hoffe so sehr für euch, dass die weitere Reise problemloser verlaufen wird. Freut euch auf den Iran, eines der gastlichsten Länder dieses Planeten! Und eines der best überwachten! Die Polizei ist jedoch immer sehr zuvorkommend und korrekt, der Geheimdienst auch!
    Hier bei uns kommt langsam der Winter. Inzwischen arbeite ich wieder, aber so wirklich Lust dazu habe ich nicht! Nur unglaublich Sehnsucht nach Sibirien…!
    Macht’s ganz gut und ich drück euch die Daumen.

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  4. Noch ein Tipp für eine Rattenfalle!
    Bastelt eine Reuse.
    Besorgt Euch ein großes Küchensieb aus Draht und befestigt das Sieb auf einem Brett, sodass die offene Seite durch das Brett verschlossen ist. Jetzt schneidet den Draht des Siebs am obenliegenden Teil so zurecht, dass Ihr den Draht trichterförmig nach innen biegen könnt, es entsteht eine Öffnung durch die die Ratte ins Innere des Siebs gelangen kann. Die nach innen ragenden spitzen Drahtenden der sich nach innen verjüngenden Öffnung verhindern, dass die Ratte durch diese Öffnung wieder entwischen kann. Den passenden Durchmesser der Öffnung zurechtzubiegen ist sicher der schwierigste Teil. Gutes Gelingen!

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  5. Hallo Ihr Lieben, echt Filmreif eure Geschichte aber beim nächsten Bummel über einen Basar, kauft euch eine Flöte !!!! Den Rest der kennt ihr ja. Grüße von Webers

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    • Hallo ihr Zwei,
      Haha, wer weiß wieviele von den Nagern dann noch unserer Flöte gefolgt wären?! 😜
      Wann geht’s bei euch denn jetzt genau los? Und was machen die Vorbereitungen? Wenn ihr irgendwas von unserer Ausrüstung gebrauchen könnt, ist das kein Problem.
      Liebe Grüße

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  6. Unglaublich, die Rattenstory! Wir drücken euch alle Daumen, dass das Biest zwischenzeitlich euren Fallen oder auch dem Gift zum Opfer gefallen ist. Gute und gesunde Weiterreise😃

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  7. Liebe Pia, lieber Martin,

    ich lese euren Block echt mit Begeisterung.! Bei den letzten Beiträgen musste ich echt schmunzeln. Geldstrafen aussitzen – genial – ich glaub ich muss mir einen Liegestuhl ins Auto legen 😉
    Ich wünsche euch noch ganz viel Spaß und weniger Kontrollen!

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  8. Hey ihr beiden,

    Wow! Was eine Story, die kann echt nur das Leben schreiben. …und auch wenn die Ratte nicht nur am 4×4, sondern auch massiv an euren nerven genagt hat, bin ich mir sicher, dass die Story in geselliger Runde noch ausgiebig unsere lachmuskeln strapazieren wird 😉

    Ps: Pia, das Bild von dir mit Pferd ist sensationell – was eine Stimmung! Nehmt ihr das mit?😁

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    • Hahaha Pete, du hast das ziemlich gut erkannt und mit etwas zeitlichem Abstand lässt es sich auch für uns leichter drüber lachen! 😜
      Und wir waren/ sind so begeistert von der Reittour im Pamir – sowas müsste man mal über nen längeren Zeitraum (3-6 Monate) machen! 🙈😊
      Dann fällt auch der Muskelkater nicht mehr so ins Gewicht. ☺️

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