Auf nach Sibirien

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Nachdem wir uns gegen einen Besuch Moskaus entschieden hatten, nutzten wir die Möglichkeit von St. Petersburg zunächst eine nördlichere Route gen Osten zu fahren.
Neben wunderbaren Stellplätzen in einsamer Natur und abgelegenen, ursprünglichen Siedlungen waren die Tage insbesondere von abenteuerlichen Straßenbedingungen geprägt, sodass wir nur sehr langsam vorwärts kamen (meist 200-300km in anstrengenden 5-6 Stunden)… und mehrfach die Freude hatten unsere Kühlbox komplett auszuwischen, da von den Rüttelpisten mal wieder ein Marmeladenglas zersprungen oder ein Frischkäse zerdrückt war… Auch im Hänger ging’s wild zu, sodass wir unter anderem Zimt, Pfeffer, Paprikapulver oder ausgelaufenes Kokosöl aufwischen durften.

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Wer schon immer mal wissen wollte, wie Heidelbeermarmelade in einer Kühlbox aussieht…

Drei Tage nach St. Petersburg erreichten wir Jaroslawl, eine mehr als 1000 Jahre alte, ehemalige Zarenstadt an der Wolga mit vielen alten Prachtbauten und dem beeindruckenden Tolga-Kloster. Jaroslawl liegt auf dem sogenannten Goldenen Ring, eine Gruppierung historisch bedeutsamer und touristisch erschlossener Städte im Nordosten Moskaus.

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Auf dem Weg nach Kostroma übernachteten wir an einem traumhaften Strand an der Wolga und konnten die sommerlich-entspannte Stimmung genießen. Außerdem versuchten wir uns die Bedeutung dieses Flusses zu vergegenwärtigen, der im 18. und 19. Jahrhundert Sinnbild für eine bessere Zukunft von unzähligen deutschen Siedlern war.

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Kostroma ist ebenfalls eine historische Stadt und die Wiege der Romanow-Dynastie, die mehr als 300 Jahre bis zur Revolution 1917 über das russische Zarenreich herrschte. Da die Stadt im 2. Weltkrieg nahezu von Bombardierungen verschont blieb, ist das Stadtbild von klassischen Gebäuden, vielen Arkadenhöfen und alter Bausubstanz aus dem 18./ 19. Jahrhundert geprägt – absolut sehenswert.

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Für den weiteren Weg nach Kasan entschieden wir uns erneut für eine nördlichere Überland-Route  mit abenteuerlichen Pisten und interessanten Einblicken in das Leben der Menschen. Nach unserer Einschätzung sind die meisten Leute auf dem Land Selbstversorger und ernähren sich von dem was der eigene Garten, Flüsse und Seen und der Wald zum Leben hergeben. Auch sehen wir entlang des Weges immer wieder kleine Kuh- oder Ziegenherden, die von Männern auf Pferden gehütet werden. Stromleitungen gibt es flächendeckend und die Wasserversorgung erfolgt meist über Brunnen, wo auch wir dankenswerterweise immer wieder unsere Vorräte auffüllen können. Neben der klassischen Banja im Garten gibt es meist ein Toilettenhäuschen – ohne fließendes Wasser. Allen abgelegenen Ortschaften gemein ist aber ein Handyfunkmast, sodass man zwar auf unasphaltierten Straßen fährt, aber dabei mindestens 3G-Empfang hat. Viele junge Menschen lassen das einfache Landleben hinter sich und ziehen in die großen Städte oder gehen ins Ausland – dies offenbart sich an leerstehenden, teilweise verfallenden Häusern und ist sicherlich eine der Herausforderungen Russlands. Mehr als 70% der 140 Millionen Russen leben in den Städten. Gelegentlich sehen wir alte Industriebrachen aus der Stalin-Zeit, Kolchosen und natürlich vielerorts die unverwüstlichen Lenin-Denkmäler und Mahnmale an den Großen Vaterländischen Krieg, häufig sogar mit Panzern, Kampfflugzeugen oder anderem Kriegsgerät. Auch Autos sind oft mit den Jahreszahlen 1941-1945 beklebt…

Hier auf dem Land erleben wir immer wieder die schönsten und herzlichsten Begegnungen mit den Menschen. Sei es eine junge Familie, die vom Beerensammeln aus dem Wald zurückkommt und uns einfach eine Schüssel voll mit leckersten Wald-Erdbeeren hinstellt oder der Förster Airat, der sich erst um uns sorgte und mich dann zur besten Trinkwasser-Quelle in der Nähe mitnimmt. Airat konnte einfach nicht glauben, dass wir all die Tausende Kilometer aus Deutschland gekommen sind und dann in seinem Waldstück übernachten. Lustig ist, dass wir bis heute fast täglich SMS schreiben, obwohl wir keine gemeinsame Sprache haben und offensichtlich beide mit Google Translator arbeiten… Einfach wunderbar! Generell begegnen uns die Menschen mit viel Neugier und Interesse und wir bedauern oft, dass unsere Russischkenntnisse nicht über eine Begrüßung und ein paar Worte über unsere Herkunft und geplante Route hinausgehen, aber wir arbeiten daran!

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In Kasan angekommen, ließen wir uns direkt von dem grandiosen Kreml und der Kul-Scharif-Moschee faszinieren, die hoch über der Stadt thronen. Ebenfalls sehr gut gefallen hat uns der Tempel der Religionen, ein Gotteshaus für alle Religionen – eine tolle Idee, die allerdings eher ein Kunstprojekt als ein tatsächlich genutztes Gebetshaus ist. Dass die Stadt ein wichtiges muslimisches Zentrum darstellt, konnten wir nicht nur an den vielen Moscheen sondern auch an auffällig vielen verschleierten Frauen sehen. Kasan ist ein gutes Beispiel für das jahrhundertelange friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen.

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Zwei Tage später erreichten wir die Republik Baschkortostan, eine der reichsten und infrastrukturell am besten entwickelten Regionen Russlands. Den Grund des Reichtums konnten wir entlang der Straßen schnell erblicken, ist die Landschaft doch von Ölförder-Anlagen geprägt. Außerdem waren wir in einer neuen Zeitzone angelangt und mussten die Uhren weitere zwei Stunden vorstellen. Wir fragen uns, ob die Einschlaf-Schwierigkeiten am ersten Abend trotzdem Jet Lag heißen, obwohl wir die Zeitzonen ja mit dem Auto überwunden haben?!? Wir finden Car Lag klingt auch nicht schlecht 😉
Nach schwieriger Stellplatz-Suche übernachteten wir in Baschkortostan auch das erste Mal auf einer Stojanka, einem bewachten LKW-Parkplatz entlang der Fernstrasse. Das finden wir für den Notfall mal okay, aber in der Natur schläft es sich einfach besser und vor allem ruhiger. Dafür trafen wir auf der Stojanka endlich mal andere Fernreisende – Pavel aus Polen und Natascha aus der Ukraine sind mit Hund Pixel und einem alten Ural Richtung Altai und Mongolei unterwegs. Vielleicht fahren wir uns daher bald wieder über den Weg.

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Dann ging es weiter durch den Ural Richtung Tscheljabinsk und wir näherten uns der natürlichen Grenze Europas. Der Ural ist ein eher flacher, welliger Gebirgszug mit traumhaft dichten Wäldern. Allerdings steckten wir zunächst auf der M5 fest, eine gut ausgebaute Fernstraße mit vielen Baustellen und aggressiven LKW-Fahrern, die das Rollen zu keinem Genuss machten. Westlich von Tscheljabinsk bogen wir ab, um mit dem See Turgoyak (der auch „Klein-Baikal“ genannt wird) einen der vielen wunderschönen Tscheljabinsker Seen im Süd-Ost-Ural zu besuchen. Das glasklare Wasser war eine wunderbare Erfrischung bei stickigen Temperaturen weit über 30 Grad. Wir scheuten uns anschließend auf die überlastete M5 zurückzufahren und wollten außerdem noch etwas mehr vom Ural erleben – deshalb fuhren wir in nordöstlicher Richtung weiter durch endlose Wälder und Sümpfe bis kurz vor Jekaterinburg und bogen dann nach Tjumen ab – der ersten großen sibirischen Stadt, der ihr Wohlstand durch die Erdölvorkommen deutlich anzumerken ist. Willkommen in Asien! Angekommen in Sibirien halten wir uns auch immer wieder die unglaublichen Dimensionen vor Augen: Sibirien alleine (ohne den europäischen Teil Russlands) wäre schon das größte Land der Erde und ist größer als Europa und die USA zusammen.

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Toyo und Hänger bewältigen die russischen Straßen bisher hervorragend. Zum Ende der Ural-Pisten ist uns allerdings ein Stabilisator-Hebel an der Vorderachse gebrochen, weshalb wir in Tjumen das Toyota-Zentrum ansteuerten und bei der Gelegenheit gleich noch einen Ölwechsel machen ließen – ein bisschen Wellness für das starke Auto, das uns völlig klaglos fast 14.000km durch unsere bisherige Reise und über die wildesten Pisten gebracht hat.

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3 Kommentare

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  1. Kleiner Tipp: wenn Heidelbeermarmelade und Frischkäse in der Kühlbox gemeinsam auslaufen (evtl. noch ein klein wenig verühren) und ihr etwas von dem verteilten Zimt aus dem Anhänger zusammenkratzt, ergibt das einen wunderbaren, gekühlten Aufstrich / Snack für Zwischendurch.

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  2. Ansonsten: überragende Bilder, tolle Erlebnisse und herzliche Menschen – so kann es weiter gehen!

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  3. Hallo ihr drei Weltenbummler.
    Es macht jedes Mal wieder Spaß eure Berichte und Bilder zu lesen und zu sehen. Ich bin immer wieder total begeistert von euren Berichten über Land und Leute.
    Knüpft weiter so tolle Kontakte und ganz viele spannende Menschen und Orte wünsche ich euch natürlich auch!

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